In den Schriften der derzeitigen und neuen Erddrucklehre bestehen sehr unterschiedliche Darstellungen zu den Erdkräften, speziell zu deren Lage und Intensität. Teils begründen sich diese Differenzen in der Nutzung unterschiedlicher Erdwinkel und durch wirksame Abweichungen bei der Erddruckermittlung von den reinen Grundlagen der Physik. Diesen Kontroversen wird nachgegangen unter Heranziehung der Schriften der Technischen Universität München TUM, Zentrum Geotechnik und jener der neuen Erddrucklehre, zu finden in dieser Webseite.
Über die Methodik der Winkelmessung wird in der Schrift ‚Scherfestigkeit I‘ der TUM unter I.4, S. I.11 vorgetragen. Der Zusammenhang zwischen Winkelmessung und Erddruckberechnung wird dargestellt auf S. 1.5 mit dem Bild I01.70: Physikalische Ebene und Mohr’scher Spannungskreis.
Anzumerken bleibt, dass zur Messung der Scherfestigkeit und des Scherwinkels in den gezeigten Armaturen immer Druck auf den Probekörper ausgeübt wird, obwohl in freier Natur diese Belastung der Geländeoberfläche kaum auftritt. Zudem dürfte in Fachkreisen bekannt sein, dass sich ungestörte Bodenproben zur Einspannung in den Armaturen nur aus maximal fünf Bodensorten ziehen lassen. Unberücksichtigt bei diesen Messungen bleibt der Einfluss der vielfältigen Bodeneigenschaften, wie trocken, feucht, nass und unter Wasser. Folglich können die in den Armaturen gewonnenen Messergebnisse zum Scherwinkel nicht relevant sein für all die anderen Bodenarten.
Die Ausführungen werden fortgesetzt in nachstehender Schrift:
Bodenwinkel, deren Messung und Wertung
Schrift: Bodenwinkel, deren Messung und Wertung Es wird der Nachweis geführt, dass es nicht möglich ist, über die wenigen von der derzeitigen Lehre durchgeführten Messungen an in Armaturen eingespannten Erdkörpern für alle Bodenarten gleich geltende Bodenwinkel und Schereigenschaften zu bestimmen. Hierzu vorgestellt wird Bildmaterial und Erläuterungen gegeben.
Unter dem Sammelbegriff “Boden“ werden in der neuen Erddrucklehre alle Bodenarten zusammengefasst, unterschiedslos ihrer Entstehung aus magmatischen, metamorphen oder sedimentären Ursprungsgesteinen und der bisherigen Einteilung nach bindigen und nicht bindigen Böden. Böden mit extremen Korn-, Richtungs- und Verteilungsgefüge verlieren bei steigender Berechnungshöhe an Bedeutung für die Erddruckberechnung. Der Begriff “Boden“ erfasst somit alle Felsgesteine, ihre Auflösungsprodukte bis hin zum Staub. Bei Auflockerung oder Verdichtung von Böden und Wasseraufnahme ändern sich deren Eigenschaften und Volumina und lassen neue Bodenarten entstehen. In Erweiterung des Mehrphasensystems der Bodenmechanik hat die neue Erddrucklehre über die Raum- und Gewichtsteile von Boden einen Weg aufbereitet alle Eigenschaften von Böden im trockenen, feuchten und nassen Zustand sowie von Böden unter Wasser zu berechnen. Buch: 3 Berechnung von Bodeneigenschaften, S. 85ff.
Um Vergleiche zwischen den Lehren anstellen zu können, sind für die neue Lehre neue Symbolzeichen und Begriffe eingeführt worden: Buch: S. 21ff.
Besondere Aufmerksamkeit gehört den Erdwinkeln, sie legen bei vorgegebener Berechnungshöhe die Größen fest der Kraftfläche, der Gewichtskraft sowie der Kräfte bzw. Erdspannungen im Erdkörper. Für den Erdwinkel ϑ, den die derzeitige Lehre an in Armaturen eingespannten Erdkörpern unter Druck gemessen hat, verwendet sie folgende Begriffe: Gleitwinkel, Bruchwinkel und Scherwinkel. Die neue Lehre fasst den Bruch- und Gleitwinkel zusammen zum natürlichen Neigungswinkel β und ordnet dem Scherwinkel eine andere Bedeutung zu. Der Scherwinkel s stellt sich ein, wenn Boden auf natürlicher Weise abgleitet und eine Hanglinie ausbildet (tan s = tan β / 2). Zudem ändert sich der Winkel β, wenn auf die Geländeoberfläche eine Auflast / Kraft aufgetragen wird. Der Kraftfluss, ob vertikal oder horizontal wandelt den Winkel β zu βe oder βe‘. Für den Abtrag / Verteilung der Auflast in das anstehende Erdreich ist die Kraft zunächst umzuwandeln in eine Erdsäule mit gleicher Grundfläche und der Höhe he, die sich errechnet über die aufgetragene Gewichtskraft dividiert durch die Bodendichte des anstehenden Bodens. Weitere Erläuterungen hinsichtlich der Erdwinkel, deren Messung, Platzierung und Einfluss auf Erddruckberechnungen geben die Beschreibungen des nachstehenden Bildmaterials.
Auch bei einem Betonprobewürfel, der unter Druck gesetzt wird, wandelt sich die vertikale Kraft in horizontale Kräfte um.
Dem Thema ‚Bodenverhalten bei vertikalem Lastauftrag‘ hat sich auch die Deutsche Forschungsgesellschaft für Bodenmechanik (DEGEBO) an der Technischen Universität Berlin gewidmet und im Heft 28. S.122 die nachstehende Versuchsanordnung veröffentlicht.
Neben den unterschiedlichen Erdwinkeln wählen die Lehren auch bei den Kraft- und Spannungsverteilungen differenzierte Verfahren. Zunächst ähnlich wird über einen Erdkeil, dessen Spitze nach unten zeigt, die Gewichtskraft ermittelt. Während die neue Lehre diese Keilform zur Kraftermittlung beibehält, wählt die derzeitige Lehre für ihren Spannungsnachweis einen Keil, dessen Keilspitze nach oben zeigt. Zudem verkleinert sie die Keilfläche über einen steileren Winkel.
Anmerkungen zum Bild P05.60 Bei der Vielzahl eigener Versuchsanordnungen mit trockenen, feuchten und nassen Böden haben sich gekrümmte Bruchebenen nie eingestellt. Auch kann die Rauigkeit einer Wand, wegen fehlender Bodenbewegung hinter der Wand, keinen Wandreibungswinkel δa = ϕ‘ ausbilden, der zudem die Erddruckkraft aus der Horizontalen in die Schräglage bringen kann. Der dargestellten Kraftbündelung in einem Punkt wurde nachgegangen in den Abb. 32 – 36. Wanddrehungen sowie Wandkippungen, wie die derzeitige Lehre diese beschreibt, sind bei praxisnaher Betrachtung als Baumängel zu werten, die sich möglicherweise aus fehlerhaften Erddruckberechnungen entwickelt haben.
Anmerkung zum Bild P05.120 In der Schrift ‘Übergabe‘ – Eigene Versuchsanordnung, Abb. 5 – wurde der Nachweis geführt, dass sich keine horizontalen Erdspannungen / Kräfte ausbilden in der Basisebene von Erdkörpern gegen die den Boden stützende Wand. Damit dürfte die Vorgabe der derzeitigen Lehre zur Lage der maximalen horizontalen Spannung unbelegbar sein.
Zusammenfassung
Es gilt, dem Leser die unterschiedlichen Ansätze bei der Erddruckberechnung nach derzeitiger und neuer Erddrucklehre näher zu bringen. Hierzu wird Bildmaterial herangezogen und nach physikalischen Grundsätzen beurteilt. Besonderes Interesse gilt dem Hauptwinkel, seiner Messung und Anwendung. Er bestimmt die Größen der Kraftfläche, der Gewichts- und Erddruckkraft. Die derzeitige Lehre nennt diesen Winkel: Gleit-, Bruch- oder Scherwinkel‘, die neue Lehre ‚Neigungswinkel‘.
Bisher wird der Gleitwinkel ϑ an in Armaturen eingespannter Erdkörper unter Druckausübung gemessen. Für die Anfertigung derartiger Probekörper eignen sich fünf Bodenarten. Bei dieser Winkelmessung bleiben unberücksichtigt die natürlichen Bodeneigenschaften einschließlich des von Boden aufgenommenen Wassers, Abb. 31. Der Gleitwinkel ϑ könnte verglichen werden mit dem Neigungswinkel βe‘, der sich nur einstellt bei belasteter Geländeoberfläche und gleichzeitiger Behinderung des vertikalen Kraftabbaus infolge einer Sperrschicht aus Beton oder Felsgestein. Somit dürfte der Winkel βe‘ maximale Anwendung finden bei höchstens 0,1% der anfallenden Erddruckberechnungen. Da die derzeitige Lehre und Eurocode 7 die Anwendung des Gleitwinkels ϑ für alle Erddruckberechnungen vorgibt, können die Ergebnisse dieser Berechnungen nur fehlerhaft sein.
Ebenso unwirklich, wie die Vorgabe des Gleitwinkels ϑ, ist die Anordnung der maximalen horizontalen Erdspannung / Erddruckkraft in der Basisebene der Erdkörper, Bild P05.120. Die derzeitige Lehre begründet diese Lage mit dem Mohr’schen Spannungskreis, er soll es erlauben, die vertikale Gewichtskraft G auf die Abszisse zu legen, wo sie die Strecke δ1 bis δ3 einnehmen soll, Bild I01.70. Wohl kein Statiker würde davon ausgehen, dass die Bodenbelastung unter einem stehenden Hochhaus unverändert bleibt, wenn man das Gebäude kippt und auf die Seite legt, Abb. 402 und 404. Es dürfte damit belegt sein, dass die Berechnung und Verteilung der Erdspannungen nach derzeitiger Lehre abwegig sind.
Ein weiterer Punkt, der die derzeitigen Erddruckberechnungen zu fehlerhaften Ergebnissen führt, ist die Vielzahl empirischer Zahlenwerte für Erdwinkel, Bodeneigenschaften und anderer Parameter, die zur freien Auswahl in Tabellen vorgehalten werden, siehe Schrift ‚Bodenkennwerte‘ Abb. 1. Die breite Streuung der angebotenen Werte erlaubt es einem Aufsteller sein Bauvorhaben in einen günstigeren Kostenrahmen zu versetzen und einem Gutachter bei einem Schadensfall die Versäumnisse ohne sachlichen Bezug der einen oder anderen Partei zuzuweisen.
Der freien Auswahl von empirischen Zahlenwerten bietet die neue Lehre Einhalt durch die Berechenbarkeit aller Bodeneigenschaften, wie Bodendichte, Reibungszahl, Neigungswinkel, Scherwinkel, Belastbarkeit von Böden und weiteres. Diese Ermittlungen berücksichtigen die Eigenschaften von Böden im trockenen, feuchten oder nassen Zustand und von Böden unter Wasser und den Veränderungen, die sich einstellen, wenn Böden Wasser aufnehmen oder abgeben, verdichtet oder aufgelockert werden. Bereits bei Änderung einer Bodeneigenschaft entsteht eine neue Bodenart mit eigenen Eigenschaften, d.h. eine Manipulation mit Bodenwerten schließt sich aus.
Fazit:
Die Berechnung des Erddrucks nach den Vorgaben der derzeitigen Lehre oder Eurocode 7 sowie den daraus entwickelten Normen und Regelwerke sind gesichert mehrfach fehlerhaft, deren Anwendung kann zu Bauschäden führen.
Eine Überarbeitung nachstehender DIN ist angeraten:
DIN 1054 / EC/7, DIN 4020 bis DIN 4023, DIN 4030, DIN 18196, DIN 18300, DIN 19682-1+2, DIN 19682-2, DIN 19682-12, DIN EN 1997-1, DIN EN ISO 14688-1, DIN EN ISO 14688-2, DIN EN ISO 14689-1 und weitere.